Was sind eigentlich Spulwecken?
Was sind Spulwecken oder was bietet ein Handarbeitsgeschäft zur Eröffnung an?
So sehr wir uns auf die Eröffnung gefreut hatten, so sehr trieb uns die Frage um "womit begrüßen wir eigentlich unsere ersten Gäste?". Wenn frau sich in solchen Fragen auf jemanden in der Verwandtschaft verlassen kann, dann ist es Tante Google. Also Ärmel hoch und die Tasten strapaziert.
Gebäck, Backwerk, Textilien - das waren die ersten Suchbegriffe
Viele Stunden und viele Seiten später waren wir dann schlauer: Es gibt gibt in Bayern, genauer in Oberfranken, ein Gebäck, dass früher nur zu Neujahr und ähnlich bedeuten Anlässen gebacken wurde: die Spulwecken. Sie sind länglich wie Weberschiffchen und tragen quere Einschitte, die die Fäden auf dem Schiffchen darstellen. In dieser Form symbolisieren sie Fleiß und Wohlstand. Genau das Richtige für uns und einen Ladenstart!
Aber wo kriegt frau die her?
Bis Oberfranken ist es ja schon ein Stück. Und auch der Bäcker um die Ecke hat keine Ahnung von diesen Dingern. Also hieß es wieder Ärmel hoch und weiter Tante Google nerven. Die Gute bescherte uns ein lakonisches Rezept: "Bestehen zu 95% aus Weizenmehl, 5% Roggenmehl, Salz, Anis, Kümmel. Man sollte sie möglichst frisch verzehren, oder kann sie nochmals kurz aufbacken." Und das war´s dann auch schon. Es blieb uns nichts anderes übrig, als eine Probepartie zu backen. Wie haben wir uns gefreut als gleich die erste gelang! Das konnten wir ohne Gewissensbisse anbieten. Und zwar allen! Sie enthalten weder Milch, noch Sämereien, noch andere Allergene und statt Weizen haben wir Dinkel verwendet. Also keine Gefahr, selbst wenn jemand Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien hätte - wir konnten unsere Freude mit allen teilen!
Das will ich jetzt genauer wissen, erzähl mal mehr!
Spulwecken hat man in Oberfranken gebacken. Früher waren solche Gebäcke aus feinem Weizenmehl etwas ganz Besonderes und ein "teurer Spaß". Deshalb schnitt man sie ein. Die Spalten lassen sich leicht auseinander brechen und teilen. Vermutlich wurden auch gemeinsam gegessen. Man sagt, sie passen sehr gut zu Fleisch ("Gansjung", also Gänseklein) und Käse, sie schmecken aber auch klassisch einfach mit Butter bestrichen. Bei uns gab es sie knusprig, frisch und pur. Dafür aber mit Schampus!
Wir haben beschlossen, dass es sie bei uns jetzt immer gibt, wenn wir etwas zu feiern haben
Sie haben uns einfach so gut geschmeckt. Und möglicherweise ging es uns nicht allein so, denn schon im 16.Jahrhundert beschreibt Hans Sachs einen Köhler, der Spulwecken offenbar genau so gerne wie wir mochte:
SPULWECK, m.
weck, gebäck in form einer spule, vgl. ↗spule 6, sp. 221:
(heute würden wir es vielleicht so schreiben)
Der Koler mit den Spulwecken Der Köhler mit den Spulwecken
thet on gfehr uber den marck lauffen, Er lief ziellos über den Markt,
da sah er weysze spulweck fail. da wurden weiße Spulwecken angeboten,
die fachtn den koler an zum thail, die weckten in dem Köhler einen Wunsch,
und hin zu eynem karren sasz, er setzte sich neben einen Karren,
bey siben grosze spulweck asz. und aß um sieben große Spulwecken.
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1905), Bd. X,II,I (1919), Sp. 230, Z. 27.
aus:
Sachs, Hans, 1494-1576, Sämtliche Fabeln und Schwänken von Hans Sachs; in chronologischer Ordnung nach den Originalen herausgegeben von Edmund GoetzeI, Halle a. S., Verl. Max Niemeyer, 1893, Schwanck 176